Die Sommerpause ist zu Ende, in Berlin widmet man sich wieder dem politischen Alltag. Auf dem Programm stand gleich zu Beginn der neuen Sitzungswochen der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG). Mit diesem Gesetzentwurf sollen jetzt die letzten Lücken der jüngsten Gesundheitsreform geschlossen werden. Dabei liegen auch Änderungsvorschläge für den Bereich Hilfsmittelversorgung auf dem Tisch.
In der Praxis gewinnt in aller Regel der Leistungserbringer mit dem günstigsten Preis. Der durch die Ausschreibungen ausgeübte Preisdruck führt aber dazu, dass immer wieder Billigheimer das Rennen machen. Das die billigsten aber oft nicht die besten sind, zeigt ein aktueller Artikel der Neuen Osnabrücker Zeitung [1]. Anhand von drei Fällen wird dort berichtet, welche Probleme und Versorgungslücken nach Ausschreibungen tatsächlich entstehen können. So wurde beispielsweise einem Stomaträger die von ihm benötigte Menge an Stomabeuteln begrenzt mit dem Hinweis, das er ja die benutzten Beutel ausstreifen und wieder verwenden kann, falls ihm die zugestandene Durchschnittsmenge nicht ausreicht.
Durch diese gesetzlich verordnete Praxis werden die Menschen benachteiligt, die auf qualitativ hochwertig Hilfsmittel und individuelle Beratung angewiesen sind. Deshalb wehren sich Selbsthilfeverbände von Anfang an gegen die Ausschreibungsverfahren. Auch die Bundesdeligiertenversammlung der Deutschen ILCO e.V. spricht sich in einer einstimmig verabschiedeten Resolution [2] deutlich gegen die Ausschreibungspraxis aus und fordert von den Krankenkassen auf weitere Ausschreibungen zu verzichten.
Mittlerweile ist man sich auch in Berlin der Konsequenzen der letzten Gesundheitsreform bewusst geworden. Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf sieht vor, die bisherige Pflicht zur Ausschreibung in eine Kann-Regelung zu ändern. Darüber hinaus sollen der Spitzenverband Bund der Krankenkassen [3] und die Spitzenorganisationen der Leistungserbringer verpflichtet werden, bis zum 30.06.2009 gemeinsame Empfehlungen abzugeben, in welchen Fällen eine Ausschreibung von Hilfsmitteln überhaupt Sinn macht. Beide Änderungsvorschläge werden von der BAG Selbsthilfe [4] begrüßt. Allerdings ist bisher keine Beteiligung der Selbsthilfeverbände an den Entscheidungen über die Zweckmäßigkeit von Ausschreibungen vorgesehen.
Auch das die von Selbsthilfeorganisationen entworfene Qualitätskriterienkataloge bisher kaum in den zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern geschlossenen Einzelverträgen berücksichtigt wurden stößt auf Kritik. Die BAG Selbsthilfe [5] fordert daher auch ein Beratungsrecht der Selbsthilfeverbände bei der konkreten Ausgestaltung der Verträge. Nur so kann sicher gestellt werden, dass sich Krankenkassen und Leistungserbringer mit den Bedürfnissen chronisch kranker und behinderter Menschen ausreichend auseinander setzen.
Die weiterhin geplante Verlängerung der Übergangsfrist bis zum 30.06.2010 wird allgemein begrüßt. Krankenkassen erhalten damit mehr Zeit zur Umsetzung der neuen Regelungen und der Hilfsmittelbranche in Deutschland verhilft sie zu einer kleinen Verschnaufpause.