Mit dem Beutel am Bauch lebt Christian Limpert seit 15 Jahren. Stoma nennt sich der künstliche Ausgang.
Zusammen mit seiner Partnerin hat Limpert ein Selbsthilfeportal im Internet gegründet. Rund 30 000 Besucher im Monat aus dem gesamten deutschsprachigen Raum suchen dort Hilfestellung und Tipps. Der Clou: Aus der eher anonymen Netzinitiative „stoma-welt.de“ heraus gründen sich derzeit Selbsthilfegruppen im gesamten Bundesgebiet.
Rund 130 000 Menschen leben bundesweit mit einem Loch in der Bauchdecke.
Meist ist Darmkrebs nah am Schließmuskel der Grund. „Bei mir musste wegen chronischer Darmentzündung der Dickdarm entfernt werden.“ Ein künstlicher Darmausgang? Nein, kein Kneipenthema zum Hinausposaunen. Und für Patienten oft ein Schock. „Mir hat die Operation das Leben gerettet“, sagt der Sprendlinger.
Immer bessere Hilfsmittel
„Die Hilfsmittel werden immer besser, mit künstlichem Darmausgang lässt sich gut leben.“ Sitzt das Plastiksäckchen passgenau, seien Sport und Schwitzen, Job und Familienplanung, ja sogar Extrembergsteigen und Boxen kein Problem. Einzig die durchtrennte Bauchmuskulatur erklärt schweres Heben zum Tabu.
Christian Limpert hat nach seiner schweren Krankheit das Abitur nachgeholt, Karriere gemacht, eine Familie gründet und Sport betrieben. Sein Beruf als IT-Spezialist brachte vor zwölf Jahren die Stoma-Selbsthilfe im Internet aufs Gleis.
Online-Banking und E-Commerce waren das Tagesgeschäft von Christian Limpert. „Aus dem anglo-amerikanischen Raum wusste ich, dass Selbsthilfeportale im Netz großen Zulauf haben.“ Also kreierte er kurzerhand seine Stoma-Welt als gemeinnütziges Portal von und für Stomaträger.
„Wer ganz neu mit dem künstlichen Ausgang konfrontiert ist, der kann sich anonym durch die Informationsseiten klicken.“ Die Forumsseite gibt Alltagstipps. Welche verschiedenen Hilfsmittel hält der Markt bereit? Was ist bei Liebe und Partnerschaft zu beachten? Welche Erfahrungen haben andere mit dem Beutel am Bauch?
Oft ähnliche Erfahrungen
„Viele scrollen sich nur durch die Forumsbeiträge, andere geben als Experten in eigener Sache gerne Ratschläge“, weiß Sabine Massierer-Limpert. Erfahrungen seien oft ähnlich. Die Alterspanne im Forum reiche von 15 bis 85 Jahren. „Schön zu sehen, wie generationenübergreifend Tipps ausgetauscht werden.“ Auch auf Youtube und Facebook ist die Stoma-Welt aktiv.
Und manchmal wird das Selbsthilfeforum im Internet auch zur Kontaktbörse. Wie bei den Limperts. „Weil mein Sohn Stomaträger war, habe ich Christian im Netz kennengelernt“, sagt Sabine. Inzwischen hat das Paar geheiratet und insgesamt vier Kinder. Mit dem Umzug nach Sprendlingen wurde die Rheinhessengemeinde Sitz des Vereins.
Über 4000 registrierte Mitglieder hat das Selbsthilfeportal. An Werktagen vormittags stehen Sabine und Christian Limpert auch telefonisch für Fragen rund ums Stoma zur Verfügung. Sie sind inzwischen die beiden hauptberuflich Angestellten ihrer Stoma-Welt, moderieren Forumsbeiträge, sortieren das Infoportal, sind auf Messen, in Reha-Zentren und Darmkrebszentren präsent - ein Ganztagsjob.
Die schönste Anerkennung kam mit der Einladung nach Berlin Anfang Mai. „Unser Selbsthilfeportal war für den Sozialpreis der Firma Bayer nominiert“, sagt Sabine Massierer-Limpert stolz. Über 100 soziale Projekte aus dem Gesundheitssektor wurden auf Innovationskraft und Nachhaltigkeit bewertet. Die Sprendlinger schafften es unter die zehn Finalisten.
Quelle:http://www.allgemeine-zeitung.de/region/bingen/vg-sprendlingen-gensingen/sprendlingen/12015262.htm