Kurt
60 Jahre
Divertikulitis
Mein Motto:
"Stay tuned and rock on, hooray the stoma lets me live"
Hobbys: Musik Gitarre & Euphonium, handwerken und reparieren.
Kurt ist Mitglied unserer facebook Gruppe Stoma-Träger-Stoma-Welt [1].
Ich heiße Kurt, bin 60 Jahre alt und lebe mit einem endständigen Ileostoma. Mein Leben war nie gerade, aber das war genau das, was es so lebenswert gemacht hat. Musik, Gitarre, Euphonium – das sind meine Leidenschaften. Jahrzehntelang war ich Zimmermann und habe das Handwerk geliebt. Doch was mir wirklich geholfen hat, durch all die dunklen Zeiten zu kommen, war mein Motto: “Stay tuned and rock on, hooray the stoma lets me live.” Denn genau das war es, was mich immer wieder aufgerichtet hat – der Wille, zu leben und die Freude, mich niemals unterkriegen zu lassen.
Die Geschichte meines Körpers ist nicht weniger turbulent. Nach einer Sigmaresektion aufgrund einer Divertikulitis stand ich plötzlich vor einer Stenose bei der Anastomose. Was als medizinisches Problem begann, wurde zu einer lebensbedrohlichen Situation. Beim dritten Bougieren, einem Versuch, den Darm zu dehnen, passierte das Unvorstellbare: Mein Darm perforierte. Die Ärzte sagten mir später, ich habe nur knapp eine vier Quadranten Peritonitis überlebt – und ich spürte die Nähe des Todes so real wie nie zuvor.
Zu diesem Zeitpunkt wurde mir ein Colostoma gelegt – ein Schritt, der mich vor Schlimmerem bewahrte. Doch die Probleme hörten nicht auf. Nach vier Monaten wurde das Colostoma rückverlegt und durch ein Ileostoma ersetzt. Ich dachte, das Schlimmste wäre vorbei, aber der Kampf war gerade erst in vollem Gange. Noch vier Monate später folgte der nächste Rückverlegung. Danach begannen die täglichen Kämpfe. Über ein Jahr lang hatte ich täglich mehr als 20 Stuhlgänge. Das hat mich fast zerbrochen. Mein Körper war nicht mehr mein Freund – er verriet mich, schwächte mich.
Es war schlimm. So schlimm, dass ich irgendwann alles stehen und liegen ließ und nicht mehr essen konnte. Bei Konzerten brach ich kraftlos zusammen. Die innere Last war unerträglich, und ich entschloss mich, dem Leben ein Ende zu setzen. Doch meine Frau stand mir bei, hielt mich, als ich kaum noch an mich glaubte. Sie verhinderte das Unvorstellbare, und ich fand mich in der Psychiatrie wieder, wo ich um mein Leben kämpfte.
Es gab Momente, da dachte ich, das Leben sei nicht mehr zu retten. Aber dann kam der Wendepunkt: Ich entschloss mich, ein endständiges Ileostoma zu legen. Es war ein letzter Versuch, wieder Kontrolle über meinen Körper zu gewinnen – und es funktionierte. Trotz aller Rückschläge, all der Kämpfe gegen den Körper, die Arbeitslosigkeit, die Jobsuche, den ständigen Druck durch die Versicherungen und die psychischen Belastungen, fand ich wieder zu mir.
Und jetzt? Jetzt stehe ich wieder auf der Bühne. Die Musik hat mir immer geholfen, das Leben zu spüren, auch in den schwierigsten Momenten. Das Ileostoma hat mir das Leben zurückgegeben. Es hat mir die Kraft gegeben, weiterzumachen, weiterzuleben. Es mag zwar nicht der Weg sein, den ich mir vorgestellt habe, aber er hat mir die Möglichkeit gegeben, wieder Freude zu empfinden und vor allem – weiter zu rocken.
Mein Leben ist jetzt eine Show, eine Rock ‘n’ Roll-Show. Die Bühne ist meine Therapie, die Musik meine Rettung. Und deshalb sage ich: Stay tuned and rock on. Das Leben mag hart sein, aber es ist auch wunderschön. Und manchmal muss man einfach den richtigen Moment abwarten und weitermachen, egal wie steinig der Weg scheint.