Dann tu ich es zumachen und fertig ist das.
Edgar ist 69 Jahre alt und wohnt mit seiner Frau in Ahlen. Sie sind seit fast 50 Jahren verheiratet. Nach seiner Darmkrebs-Operation vor 20 Jahren lebt Edgar mit einem Colostoma, mit dem er ganz unkompliziert umgeht. Die Irrigation half ihm, seinen Beruf im Aussendienst wieder aufzunehmen.
Das war 1992 im Sommer. Ich hatte immer Stuhldrang und nix kam, immer nur ein paar Tropfen Blut in der Schüssel. Da habe ich gedacht, ich hab Hämorrhoiden. Ich bin zum Arzt gegangen, der sagte nur: „Ich seh‘ da nix. Nehmen sie mal die Salbe, dann geht das wieder weg.“ Ja, aber dann ist das nicht weggegangen, sondern es kam immer mehr Blut. Schmerzen hatte ich nicht.
Deswegen bin ich doch hier!
Ich habe danach mehrmals Darmspiegelungen machen lassen. Nie hat da jemand was gesehen. Auch bei einer tiefen Spiegelung im Krankenhaus sagte der Arzt erst: „Ich sehe hier gar nichts, das ist ja alles so was von blutig.“ „Ja“, habe ich geantwortet, „deswegen bin ich ja hier! Irgendwo muss das Blut ja herkommen!“ Und daraufhin hat er noch genauer geschaut: „Ach, hier könnte…, da ist was und… jaaaaa am Schließmuskel! Da ist eine Geschwulst.“ Die Ärzte hatten zuvor immer nur das Endoskop eingeführt und waren dann schon dran vorbei. Darum haben die nie was gesehen.
Naja, damit stand es fest, dass da was war, und mir wurde gesagt, ob das jetzt gut- oder bösartig sei, auf jeden Fall müsste ich operiert werden. „Wir haben eine Probe genommen und es wird… wir werden es versuchen, dass sie keinen künstlichen Darmausgang bekommen“, sagten die Ärzte. Und später: „Jawohl, es ist Krebs. Wir müssen operieren… aber wir wissen noch nicht, ob es ein Stoma gibt.“
Mit dem Begriff Stoma konnte ich überhaupt nichts anfangen, gar nichts. Doch ich habe mich dann sachkundig gemacht, das Ganze hat sich hingezogen über so vier Wochen. Und naja, da habe ich gedacht: „Gut, wenn ich kein Stoma bekomme, vielleicht hast du ja Glück.“ Aber für mich war schon klar, dass bevor ich dann nach der Operation mit ’nem kaputten Schließmuskel leben muss, ja wohl ein Stoma die bessere Alternative ist.
Und das habe ich auch so dem Operateur gesagt. „Na“, sagte er, „das sehen sie ziemlich richtig.“ Von da an hat kein Mensch mehr drüber gesprochen oder gesagt, es gäbe kein Stoma… Die waren wohl ganz happy, dass die mich gar nicht mehr davon überzeugen brauchten.
Das geht
Eine Woche vor der Operation kam eine Stomatherapeutin von einem Sanitätshaus aus Dortmund zu mir. Wir haben erst mal geguckt, wo ein Stoma bei mir hinkommen könnte. Das haben wir mit einem wasserfesten Stift ein bisschen auf meinem Bauch angezeichnet und gemacht und getan und ich sagte:“Ich will das mal ’ne Woche probieren, ob das dort überhaupt richtig passend ist“ und habe ich an die markierte Stelle auch einen Versorgungsbeutel draufgeklebt und gedacht: „Och ja, das geht so“.
Ich bekam dann tatsächlich ein Stoma. Da kam im Krankenhaus wieder die Stomatherapeutin, immer wollten sie mich im Liegen bearbeiten und die Versorgungsbeutel draufkleben, das konnte ich nun gar nicht ab. Ich habe sofort drauf gedrängt, den Beutel immer selber zu kleben, schon bevor ich entlassen wurde.
Ich habe den Beutelwechsel am Waschbecken vorm Spiegel, da war ich ja noch schlank wie eine Tanne, selbst gemacht. Ich habe den alten vollen Beutel abgenommen, mein Stoma gesäubert und habe auch den neuen Beutel draufgeklebt. Es war zwar ein Krankenpfleger dabei, der hat das beobachtet, aber ich habe gesagt: „Ich muss das so schnell wie möglich selber und allein machen können.“ Die haben mir im Krankenhaus nur zweimal einen Beutel dran geklebt, alle danach konnte ich schon selbst. Dabei war alles doch noch ganz frisch, das tat auch alles weh: Und lachen durfte ich nicht – das war das schlimmste im Krankenhaus. Lieg mal da und lache nicht!
Ja, auf meinem Krankenzimmer habe ich damals im Fernsehen so einen albernen Film gesehen, „Schöne Bescherung“, der kommt immer so um Weihnachten rum… also zum Schießen komisch, mein Gott, habe ich da gelacht: Ich konnte das nicht zu Ende sehen und musste den Film ausmachen, also sowas…
Dann war ich wieder zu Hause. Meine Frau hat das erst noch gar nicht so richtig durchgecheckt. Nachher wurde es schwierig mit ihr, sobald es mal gerochen hat. Ja, wir sind seit 1965 verheiratet. Wir haben ja schon bald 50-jährigen Hochzeitstag. Mein Stoma, also das ist für sie immer noch mit Ekel verbunden. Da kann die sich nicht dran gewöhnen, aber das macht mir jetzt auch nichts mehr aus.
Für mich selbst sehe ich das so: Das Stoma ist halt da. Wie meine Nase. Ich akzeptiere es als meins.
Jeden Tag vor dem Frühstück
Ja, und von der Möglichkeit bei einem Colostoma zu irrigieren hatte ich gelesen. Ich habe dann in der Anschlussheilbehandlung in der Reha-Klinik nachgefragt und es dort gleich ausprobiert. Also wirklich direkt nach der Anlage des Stomas habe ich angefangen, die Irrigation zu lernen. Denn ich habe gedacht: „Vielleicht ist das gut mit der Irrigation und dann habe ich tagsüber keine Ausscheidungen.“ Weil ich ja auch im Außendienst als Versicherungsfachmann tätig war, kam mir die Irrigation hervorragend gelegen. Auch später im Ruhestand habe ich das weiter beibehalten. Jetzt ist das eine Gewohnheitssache – ich plane nur eine Stunde Zeit dafür ein.
Ich mache das jeden Tag, wenn ich aufgestanden bin, morgens vor dem Frühstück. Dann irrigiere ich im Stehen im Badezimmer vor dem Waschbecken. Da hängt noch ein kleiner Spiegel, damit ich mein Stoma sehen kann. Weil ich mittlerweile so viel Bauch gekriegt habe, ich kann da nicht drüber gucken und kann mein Stoma nur im Spiegel sehen.
Ich nehme die Irrigationspumpe, tue da Wasser rein. So 1,4 Liter Wasser und die Temperatur halte ich ziemlich genau ein, 36 Grad. Dann ziehe mich aus und statt einer Stomaversorgung mach ich an mein Stoma den Irrigationsbeutel. Der hat unten einen Auslass zum späteren Ausleeren in die Toilette und wird mit einem speziellen Gürtel am Bauch festgehalten.
An der Pumpe ist ein Wasserschlauch dran, der hat am Ende so einen kleinen Konus, der oben durch den Irrigationsbeutel ins Stoma kommt. Den Konus halte ich mit der Hand fest. Die Pumpe pumpt das Wasser dann in den Darm rein. Während das Wasser in meinen Körper einläuft, kann ich mich mit der anderen Hand schon rasieren. Ich bin dann mit dem Rasieren gleichzeitig fertig wie das Wasser im Bauch drin ist.
Eine viertel Stunde später kommt dann so gut wie alles, das Wasser und der Stuhl, heraus aus dem Darm, das läuft dann in den Irrigationsbeutel. Den leere ich in die Toilette aus, wickele ihn ein Stückchen auf und hänge ihn in den Gürtel. Ziehe mir den Bademantel an und gehe frühstücken und Zeitung lesen, danach ist die Stunde fast rum. In der Zeit kommt dann meistens noch so ein Schub nach, aber der landet dann einfach wieder im Irrigationsbeutel. Der wird noch einmal entleert, wird abgenommen und dann weggeworfen. Fertig – das ist die ganze Irrigation. Danach mache ich da nur noch so eine kleine Stomakappe drauf oder einen Minibeutel.
Lieber den Wasserkasten stehen lassen
Und damit gehe ja auch in die Sauna. Weiß doch keiner, dass ich ein Stoma habe. Meistens habe ich ja ein Handtuch um. Aber das sieht auch so keiner. Wer so ’ne Kappe über dem Stoma sieht, denkt:“Der hat ein Pflaster.“ Und weil ich irrigiere, kommt da ja auch den ganzen Tag lang nichts weiter raus!
Ich darf nur mit dem Stoma nicht mehr schwer heben. Das sollte man einhalten. Die Bauchdecke, die ist nicht mehr so belastbar. Und daran muss ich auch denken. Lieber den Wasserkasten stehen lassen, die Frau soll den tragen. Tut sie aber nicht.