Zur Entwicklung der Versorgung mit Stoma-Hilfsmitteln
ZurückEin Kommentar von Christian Limpert, Vorsitzender der Selbsthilfe Stoma-Welt e.V.
Wir beobachten die aktuelle Entwicklung in der Hilfsmittelversorgung mit Sorge. In allen Organisationen, die Interessen der Stomaträger/innen vertreten, sind sinkende Pauschalen, Ausschreibungen und deren Folgen das Top-Thema. In unserer Petition gegen die Ausschreibung der DAK Gesundheit positionierten sich Anfang dieses Jahres erstmals fast 5.500 Unterstützer öffentlich, in mehr als 1.300 Kommentaren äußerten Stomaträger/innen ihre Ängste und Befürchtungen.
Dabei haben wir weniger Angst davor zukünftig ohne Hilfsmittel dazustehen. Zur Stomaversorgung gehört aber mehr, als Beutel per Paketdienst zu versenden. Wir wissen heute nicht, wie die ambulante Betreuung durch qualifizierte Stomatherapeuten in drei bis fünf Jahren aussehen wird. Und ob wir auf eine Zwei-Klassen-Versorgung zusteuern, in der sich nicht mehr jeder Betroffene die Hilfsmittel leisten kann, die ihm die bestmögliche Lebensqualität sichern.
Pauschalen sinken weiter
Seit der Einführung der Monatspauschalen sind diese kontinuierlich gesunken, in den vergangenen Monaten mit deutlichen Ausreißern nach unten. Die Versorgungslandschaft verändert sich, kleinere Sanitätshäuser ziehen sich aus der Stomaversorgung zurück. Größere Homecare-
Unternehmen werden an noch größere verkauft, darunter kaum noch inhabergeführte Betriebe oder Familienunternehmen. Krankenkassen fordern
weiter eine hohe Versorgungsqualität, aber zu möglichst niedrigen Preisen.
Das alles muss nicht grundsätzlich schlecht sein. Auch scheuen wir uns nicht davor, die aktuellen Versorgungs-Strukturen zu hinterfragen. Die ganzen Argumente und Befürchtungen darüber, wohin diese Entwicklungen noch führen werden – wir haben sie rauf und runter diskutiert. Und wir haben viel Diskussionsbedarf, denn wir sind diejenigen, um deren Lebensqualität es letztendlich geht.
Vertrauen ist zerstört
Uns allen muss bewusst werden, dass die derzeitige Entwicklung, die darüber geführten Diskussionen und die negativen Beispiele aus der Inko-Versorgung bereits heute Vertrauen zerstören, das Vertrauen von uns Stomaträgern/innen in die Hilfsmittelversorgung. Ja, bei allem
was unsere Hilfsmittelversorgung betrifft reagieren wir sehr sensibel. Und das zu Recht. Wir wollen uns gar nicht vorstellen,
auch nur einen einzigen Tag ohne Beutel am Bauch leben zu müssen.
Als Stomaträger/innen müssen wir darauf vertrauen können, dass unsere Stomaversorgung zuverlässig auf dem Bauch haftet, die Haut schützt und keine Gerüche und Ausscheidungen nach außen lässt. Wir müssen darauf vertrauen, dass die Hilfsmittel zuverlässig bereitgestellt werden und die in meiner Situation bestmögliche Hilfsmittelversorgung finanziert wird. Und wenn irgendetwas mit der Stomaversorgung nicht mehr zuverlässig funktioniert, müssen wir darauf vertrauen können, Ansprechpartner zu erreichen und Hilfe zu erhalten.
Angst vor 2-Klassen-System
In der aktuellen Diskussion gehen uns aber ganz viele Fragen durch den Kopf. Darf ich in Zukunft noch mitentscheiden, welcher Beutel auf meinem Bauch klebt? Werden die Beutel noch die gute Qualität haben wie heute? Wird mir vorgeschrieben von wem ich meine Stomabeutel
bekomme? Bekomme ich weiter Hilfe, wenn sich Komplikationen einstellen oder meine Versorgung an veränderte Situationen angepasst werden muss? Muss ich aus eigener Tasche draufzahlen, um weiterhin die Stomaversorgung zu erhalten, die mir die beste Lebensqualität gibt?
Als direkt Betroffene, Patienten, Versicherte und Kunden stehen wir aktuell zwischen allen Stühlen. Homecare-Unternehmen nennen uns Preisgrenzen bei Erstattungspauschalen, unter denen die derzeitige ambulante Betreuung nicht mehr aufrechterhalten werden kann und
sie zu reinen Hilfsmittelversendern degradiert werden. Einzelne Krankenkassen berichten uns in voller Überzeugung, dass sie zu den niedrigsten Monatspauschalen am Markt noch deutlich Luft nach unten sehen. Aber wo ist der Bodensatz erreicht? Und wenn er erreicht
ist, welchen Preis zahlen wir Stomaträger/innen dann tatsächlich?
Keine Überversorung
Unser Appell an Krankenkassen und Politik: Sprechen Sie uns an, diskutierten Sie mit uns. Wir wissen auch, dass ein Euro nicht zweimal ausgegeben werden kann. Aber wir Stomaträger/innen laufen jeden Tag mit dem Beutel am Bauch herum und kennen den tatsächlichen Bedarf, und wissen, dass heute kaum noch jemand „überversorgt“ ist.
Dieser Kommentar erschien im MTDialog 10/2018, www.mtd.de