Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) hat als erste Kasse eine Ausschreibung für die Stomaversorgung ihrer Versicherten gestartet. In anderen Bereichen haben Ausschreibungen bereits zu massiven Einschränkungen geführt. Das Wahlrecht wird begrenzt, der Versorger wird vorgeschrieben und häufig müssen Betroffene auch von der gewohnt guten Qualität ihrer Hilfsmittel Abschied nehmen. Drohen jetzt auch in der Stoma-Versorgung harte Einschnitte?
Der billigste Anbieter gewinnt und erhält das exklusive Recht die Versicherten einer Krankenkasse zu versorgen, das ist das typische an einer Ausschreibung. Versicherten der KKH wird zukünftig vorgeschrieben, von wem sie ihre Stoma-Versorgung erhalten. Dabei werden maximal drei Anbieter zur Wahl stehen, in einigen Regionen vielleicht nur noch ein einziger.
Seit der Gesundheitsreform im Jahr 2007 und der Verabschiedung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) durch die damalige große Koalition haben die Krankenkassen die Möglichkeit, die Versorgung in einzelnen Bereichen über eine Ausschreibung zu vergeben. Vor der Reform rechneten die Versorger über Festbeträge mit den Kassen ab. Danach setzten sich in der Stomaversorgung die heute üblichen Monatspauschalen durch.
Stomaträger blieben bislang von Ausschreibungen verschont. Nach monatelangen Gerüchten ist es nun aber Realität, die KKH vergibt als erste Krankenkasse die Versorgung ihrer Versicherten exklusiv. Welche Folgen Ausschreibungen auch für Stomaträger haben können, das zeigt das Beispiel der Inkontinenz-Versorgung.
Negative Erfahrungen
Wie die Stoma-Versorgung gehören auch Vorlagen und Inkontinenz-Hosen zu den zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln. Durch die Ausschreibungen sind die Monatspauschalen extrem gefallen. Wurden bei einer schweren Harn-Inkontinenz mit unkontrolliertem Verlust des Urins auf Basis der Festbeträge noch 85 Euro für 90 saugstarke Vorlagen im Monat gezahlt, liegt die Pauschale bei einigen Krankenkasse heute bei ca. 17 Euro, einzelne sogar darunter. Eine Reduzierung der Ausgaben um satte 80 Prozent innerhalb weniger Jahre.
Übertragen auf einen Stomaträger mit Kolostoma würde das bedeuten, dass bei einem monatlichen Bedarf von 90 geschlossenen Beuteln und zehn Basisplatten statt der früher über Festbeträge erstatteten 241,60 Euro nur noch eine Pauschale von 48,32 Euro von der Krankenkasse übernommen wird. Das dabei mit harten Einschnitten zu rechnen ist liegt auf der Hand.
Aktuell liegen die Monats-Pauschalen in der Stoma-Versorgung im Schnitt bei etwa 200 Euro. Womit nicht nur die gelieferten Produkte vergütet werden, sondern auch Logistikkosten und die ambulante Betreuung durch Stomatherapeuten.
Mögliche Folgen
Hat die Ausschreibung der KKH Erfolg, ist die Gefahr groß das andere Krankenkassen sich daran ein Beispiel nehmen. Die Folgen wären starke Einschränkungen in der ambulanten Versorgung und in der Betreuung durch Stomatherapeuten. Hier lassen sich als erstes Abstriche machen, ohne die Auswahl und Qualität der Hilfsmittel einzuschränken. Sinken die Pauschalen in den kommenden Jahren aber so stark wie in der Inkontinenz-Versorgung, wird sich das auch auf die Qualität der Stoma-Artikel spürbar auswirken.
Im Zeitalter der Inklusion ist es völlig unverständlich, dass Einsparziele der Krankenkassen auf dem Rücken von Menschen ausgetragen werden, die ohne eine zuverlässige Hilfsmittelversorgung massive Einschränkungen in der Lebensqualität hinnehmen müssen. Das gilt ganz besonders für die Stoma-Versorgung. Wie unser Alltag aussieht, wenn die Stoma-Beutel nicht bis zum Monatsende ausreichen, wenn sie nicht zuverlässig halten oder immer müffeln, das wollen wir uns gar nicht ausmalen.
Wir werden in den kommenden Wochen am Ball bleiben und euch über die weitere Entwicklung informieren. Diskutiert mit uns zum Thema im Stoma-Forum [1] oder auf facebook [2].
Quelle: eigene Recherchen
Bildquelle: Fotolia.com, Misserfolg Seniorenpaar © Jenny Sturm