Die Deutsche ILCO e.V. ist eine der ältesten Selbsthilfeorganisationen in Deutschland. Am vergangenen Wochenende feierte die Selbsthilfevereinigung für Stomaträger und Darmkrebsbetroffene mit den ILCO-Tagen-2012 ihren 40. Geburtstag.
Die Anlage eines Stomas ist mehr als nur ein chirurgischer Eingriff. Sie ist ein tiefer Einschnitt in das „normale“ Leben. Wer das selbst erlebt hat kann anderen vor und nach einer solchen Operation ganz besondere Hilfestellungen geben, denn Stomaträger wissen aus eigener Erfahrung von den Problemen, mit denen man nach der Zeit im Krankenhaus konfrontiert ist.
In vielen Auslandsaufenthalten erlebte der Chirurg PD Dr. Konrad Arnold genau dies. Für ihn Motivation um im Jahr 1972 zusammen mit einigen Betroffenen eine Arzt-Patienten-Initiative für Stomaträger in Deutschland zu gründen. Seitdem bietet die Deutsche ILCO Betroffenen Unterstützung durch Information zum täglichen Leben mit einem Stoma und Gespräche und Erfahrungsaustausch mit Gleichbetroffenen. Seit einigen Jahren finden auch Darmkrebspatienten Unterstützung bei der ILCO.
Neben der direkten Unterstützung von Betroffenen ist die Interessenvertretung gegenüber Krankenkassen, Politik und Industrie ein weiterer Schwerpunkt der Tätigkeit der Vereinigung. Auf den ILCO-Tagen in München gab Maria Haß, Leiterin der Bundesgeschäftsstelle, einen Einblick in die konkrete Arbeit. So konnten z.B. Zuzahlungen für die Stomaversorgung in den 90'er Jahren zweimal dadurch verhindert werden, dass Bundestagsabgeordnete über die Problematik informiert und dazu befragt wurden, wie sie abstimmen würden wenn Zuzahlungen per Gesetzesänderung im Bundestag zu beschließen wären. Als die heutigen Zuzahlungen im Jahr 2002 nicht mehr zu verhindern waren konnte dann immerhin eine Höchstgrenze von 10 Euro im Monat durchgesetzt werden.
In der anschließenden Podiumsdiskussion zum Thema „Sachgerechte Versorgung mit Stomaartikeln“ kamen viele bekannte Forderungen zur Sprache, für die sich die ILCO seit Jahren einsetzt. Maria Haß machte deutlich, dass die neuen Krankenkassenverträge mit Leistungserbringern faktisch ein Rückschritt in der Versorgungsqualität sind, da derzeit jede Kasse Qualität nach eigenen Vorstellungen definieren kann und es keinen einheitlichen Mindeststandard für alle Leistungserbringer gibt. Dabei macht es das BSG-Urteil zu Stomatherapeuten aus dem letzten Jahr nicht leichter entsprechende Anforderungen an die Betreuung von Stomaträgern im Hilfsmittelverzeichnis unter-zu-bringen, wie Carla Grienberger, Leiterin des Referates Hilfsmittel beim GKV-Spitzenverband, bestätigte.
Die herstellerunabhängige Beratung und gleichzeitig wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung von Stomaträgern ist kein Widerspruch, wie Gabriele Gruber, stellvertretende Vorsitzende der FgSKW, klar stellte. Im Gegenteil, eine unabhängige Beratung und hohe Versorgungsqualität führt letztendlich zu besser versorgten Patienten und einem niedrigeren Hilfsmittelbedarf. Maria Haß bemängelte aber, dass die Beratung in einzelnen Sanitätshäusern eher zu Gunsten des Stomabeutels mit dem höchsten Profit und nicht zu Gunsten der individuellen Versorgungsqualität erfolgt. Hier werde die Unerfahrenheit der neu betroffenen Stomaträgern manchmal auch ausgenutzt. Eine Erfahrung die anscheinend viele Ehrenamtliche der ILCO teilen, gab es an dieser Stelle doch spontan deutlichen Applaus aus dem Zuschauerraum.
Um die Qualität der Stomaartikel müsse man sich auch in Zukunft keine Sorgen machen. Klaus Grunau, Vorstandsmitglied des BVMed, sieht im Wettbewerb der zehn auf dem deutschen Markt vertretenen Stomaartikel-Hersteller den Hebel der vieles von alleine regelt. Interessierte Betroffene könne sich heute im Internet und z.B. auf Veranstaltungen wie den ILCO-Tagen unabhängig informieren, die Wahlfreiheit unter den Stoma-Hilfsmitteln nutzen und auch dank der gemeinsamen Aktivitäten zur Verhinderung von Ausschreibungen weiter zwischen verschiedenen Leistungserbringern wählen. Dadurch werden nicht nur Innovationen gefördert und bestehende Produkte stetig verbessert, der mündige Patient fordert auch eine gute Qualität in der Betreuung durch die Leistungserbringer ein.
Die psychosoziale Unterstützung von Betroffenen und Angehörigen und die Qualität der medizinischen Versorgung für Darmkrebsbetroffene standen am Nachmittag im Mittelpunkt der Vorträge und Podiumsdiskussionen.Dass die ILCO in den letzten vier Jahrzehnten auch auf internationalem Feld sehr aktiv war zeigten nicht nur die angereisten Gäste aus dem Ausland. Helga Englert berichtete über die Hilfsprojekte, mit denen die Selbsthilforganisation Stomaträger in osteuropäischen Ländern mit Stoma-Hilfsmitteln unterstützte, die bei Betroffenen in Deutschland übrig blieben und an die Deutsche ILCO gespendet wurden. Die Zusammenarbeit mit Betroffenen und Ärzten vor Ort bot die Chance die Selbsthilfearbeit in den Ländern aktiv zu fördern. Dadurch wurden für Stomaträger Wege geschaffen sich gegenseitig zu unterstützen, aber auch ihre eigenen Bedürfnisse gegenüber den Regierungen zur Sprache zu bringen und so die Lebenssituation für Betroffene nachhaltig zu verbessern.
Als besondere Anerkennung dieser Aufbauarbeit in Bulgarien, der Ukraine und anderen Ländern Osteuropas, die federführend von dem langjährigen Vorsitzenden der Deutschen ILCO e.V. Prof. Dr. Gerhard Englert voran getrieben wurde, aber auch wegen seiner Verdienste in der europäischen und internationalen Stomavereinigung, hat die Europäische Stomavereinigung EOA einen Fonds nach Prof. Englert benannt. Ziel des Fonds ist die Unterstützung der Gründung neuer Stomaorganisationen in Ost- und Südeuropa, im Mittleren Osten und in Afrika. Ria Smeijers, Präsidentin der EOA, dankte Prof. Gerhard Englert im Rahmen ihrer Grußworte mit der Überreichung einer Urkunde.
Wie schon beim gemütlichen Zusammentreffen am Vorabend war dann auch am Samstagabend auf der Geburtstagsparty in der Alten Kongresshalle in München der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt. Insgesamt besuchten mehr als 400 ehrenamtliche Mitarbeiter, Betroffene und Interessierte die ILCO-Tage 2012.
Quelle: eigene Recherche
Bildquelle: www.ilco.de